Das Wiedersehen.
Ich lernte Yeter in dem Döner Laden kennen, wo ich manchmal, wenn die Probe länger dauerte, mein Abendessen einnahm.
Eines Abends stand sie statt dem alten Selim hinter der Theke.
Wir wechselten nur wenige Worte, aber ich beobachtete sie, als sie für einen nachfolgenden Kunden eine Großbestellung abarbeitete. Sie ist keine Barbie-Puppen-Schönheit, aber ich mochte augenblicklich ihr Gesicht und die Art, wie sie sich bewegt. Meine Augen ruhten auf ihr.
Vermutlich war sie der Grund dafür, dass ich ab nun, nach jeder Probe dem kleinen Laden einen Besuch abstattete. Immer wechselten wir nur wenige Worte, waren wohl beide schüchtern.
Eines Abends, wir mussten bei einer Aufnahme einen Part wieder und wieder einspielen, bis er endlich fehlerfrei im Kasten war, kam ich zu spät, sie hatte bereits geschlossen.
Als sie mich sah, schloss sie die Tür wieder auf und bat mich freundlich herein. Ich entschuldigte mich, sagte dass es mir peinlich ist, dass sie jetzt wegen mir länger arbeiten muss.
„Nein komm nur, es freut mich dich zu bewirten“, erst jetzt bemerkte ich, wie gestochen scharf ihr Deutsch war, kein Hauch von Dialekt. Zum ersten Mal redeten wir ein wenig und ich war erleichtert, dass sie direkt beim „Du“ war.
Während Ich aß, und sie die Deckel auf die Behälter in der Kühltheke legte, ließ ich wie zufällig drei Visitenkarten fallen, eine hätte zu sehr nach Absicht ausgesehen, so mutig war ich nicht, einerseits konnte ich mir nicht vorstellen, mit dieser Frau zusammen zu sein, aber andrerseits zog sie mich magisch an.
Fast eine Woche verging, bis ich eine SMS von einer mir nicht bekannten Nummer erhielt: „ Hey, weißt du, dass du mir den Kopf verdrehst?“ , „Das hört sich interessant an, aber jetzt wüsste ich gerne von wem diese netten Worte kommen“ tippte ich zurück und hoffte, dass mein Gegenüber wirklich Yeter war. „Du hast bestimmt eine Frau, so einer wie du bleibt nicht lange alleine :-(“, kam prompt als Antwort. „Du schmeichelst mir, deine Worte tun gut, aber wer bist du?“ schrieb ich, ebenfalls meine Frage ignorierend bekam ich als Antwort: „Also hast du eine. Wäre zu schön gewesen. Entschuldige. Lebe Wohl :´-(“. „Jetzt aber langsam“ erwiderte ich, „erst so mutig, und jetzt so schnell fertig? NEIN, ich habe keine Frau, keine Freundin – bin alleine. OK?“. „Echt?“ war die knappe Antwort. „So,“tippte ich, „jetzt hab ich dir was von mir erzählt, jetzt kannst du mir auch deinen Namen verraten.“
„Trau ich mich nicht, du wirst mich auslachen!“
„Aber das würde es doch leichter machen, ich möchte dir ein Kompliment machen, das geht nur, wenn ich weiß wer du bist!“
„Nein wenn du das wüsstest, würdest du mir nicht mehr antworten“
„Solltest du das nicht besser mir überlassen? ;-)“
„Du wirst mich nicht mögen“
„Magst du mich?“
„Schrecklich! <3“
„Dann kannst du doch nur gewinnen, fasse dir ein Herz und sag wer du bist, oder möchtest du eine Tipp-Beziehung ;-/“
„Nein aber ich hab furchtbare Angst ausgelacht zu werden“
„Wenn du mir verrätst wer du bist, ist das sehr, sehr mutig. Es wäre ein riesiger Vertrauensbeweis. Ich verspreche dir, ich werde dich niemals auslachen.“
„Auch nicht, wenn du mich uninteressant findest?“
„So wie du schreibst, kann ich mir zwar gar nicht vorstellen, dich uninteressant zu finden, aber JA, auch dann werde ich nicht über dich lachen, deine Offenheit verdient Respekt.“
„Lass mich nachdenken.“
„Wenn du mich magst, solltest du mir vertrauen.“
„Aber ich kenne dich kaum.“
„Dann tu was dafür mich richtig kennen zu lernen.“
„Du bist so süß, deine Antworten gefallen mir, aber ich hab Angst.“
„Uhhhh, bin ich so furchteinflößend?“
„Gar nicht, aber ich habe kein großes Selbstbewusstsein, finde mich nicht so prickelnd....;-)“
„Dann solltest du dringend demjenigen begegnen, der deinem Selbstbewusstsein auf die Sprünge hilft, der dich prickelnd findet.“
„Ich würde mir wünschen, ich hätte ihn gerade gefunden, aber ich kann nicht glauben, dass mein Traum wahr wird.“
„Das kleine Risiko musst du eingehen....sag schon, wer bist du?“
„Gibt es für dich eine Frau, die dir gefällt, die dich fesselt? 0;-)“
„Ich würde sagen, dass ich dich gerade sehr fesselnd finde, und vieles was und wie du schreibst gefällt mir.“
„NEIN!!! Nicht so, ich meine eine, die du siehst, ein bisschen kennst.“
„Das ist keine einfache Frage, könnte schon sein....“
„Das ist keine mutige Antwort!“
„Sorry, nicht böse sein, aber du weißt wer ich bin, aber ich weiß nicht wer du bist.......“
„Einmal möchte ich lieben, und geliebt werden, von einem Mann, der sehr, sehr mutig ist.......0;-)“
„Es gibt eine Frau, die gibt mir zu essen, jeden Sonntag Abend, ich schaffe es nicht meine Augen von ihr abzuwenden.........“
„Oh Weh, ich muss weinen …...... ist das wahr?“
Am nächsten Tag trafen wir uns mittags zu einen Spaziergang, ich war zu nervös etwas zu essen, und so gingen wir gemeinsam plaudernd durch den Park.
Schon an diesem ersten gemeinsamen Tag lernte ich ihren sturen Kopf kennen, denn sie wollte mich davon überzeugen, dass man die orientalische Musik nicht mit unserer, westlichen Art zählen kann und obwohl sie ja nicht ganz Unrecht hatte machte es mir Freude mit ihr zu zanken.
Zum Abschied nahmen wir einander in den Arm und drückten uns lange, dann sagte sie: „Ich kann dich jetzt nicht mit nachhause nehmen, ich muss zur Arbeit, aber wenn du möchtest, kannst du mich morgen besuchen.“
Yeter und ich hatten eine unglaublich tiefe Beziehung, letztlich viel zu kurz, aber ein Feuerwerk an Emotionen und unendlicher Offenheit. Selten haben wir im Bett miteinander geschlafen, meistens war es so dringend, dass wir nicht bis dort hin kamen.
Es war ungefähr sieben Jahre, nach unserer Trennung, als mir ein Freund erzählte, er habe sie in der Stadt gesehen, mit einem kleinen Jungen an der Hand, wohl ihr Sohn, zwei Jahre alt vielleicht, der Freund hat kurz mit ihr gesprochen und berichtete mir, sie arbeite jetzt im Döner Imbiss am Bahnhof.
Diese Nachrichten machten mich unausgeglichen, nervös, ich lief auf und ab. Abends in der Kneipe, im Lärm, dem Qualm, drei Gläser zu viel, ich rannte durch die Stadt, zu viele Menschen, zu viel Geräusch, wieder in eine Kneipe, ein Bier und ich rannte weiter, ziellos und dennoch stand ich nach meinem Lauf durch die regnerische Stadt irgendwann am „Kemer Kebab“ am Bahnhof. Natürlich war es zu spät, durch das Schaufenster sah ich, dass die Spieße weg waren, aber da sah ich Yeter, die Tür war noch nicht verschlossen, ich trat ein, sie putzte, wrang über einem kleinen Plastikeimer ein Tuch aus, als sie mich erkannte. Wir schauten uns unglaublich lang an, ohne ein Wort zu sagen, wie in Zeitlupe nahm sie die Hände aus dem Eimer und kam auf mich zu, auch ich ging ihr entgegen, und schweigend nahmen wir uns in die Arme, und drückten einander.
Für eine kleine Ewigkeit.