Hochzeit in Züsch.
Viel später als alle anderen erschien Lichtenberg
im Saal. Die Feier war bereits in vollem Gange.
Lichtenberg mag keine Hochzeitsfeiern.
Seine Teilnahme am ersten Akt, in der Pfarrkirche
St. Antonius von Padua sagte er bereits vorsorglich
unter Vortäuschung unaufschiebbarer Geschäfte ab.
In Wahrheit hatte er eine tiefe Abneigung gegen
mittelalterliche Rituale und seine kritische
Einstellung zur Institution der Ehe machte ihm
jegliche Art von Beweihräucherung unerträglich.
Nun machte unser Freund dem Brautpaar seine
Aufwartung, überreichte in einem Umschlag sein
Geschenk und tauschte einige Gefälligkeiten mit
den Eltern der vorerst glücklichen aus. Die Mutter
der Braut hatte schon heftige Artikulationsdefizite,
die offenbar vom Sekt mit Orangensaft herrührten,
den sie eifrig konsumierte. Nun, dachte sich
Lichtenberg, das ist angesichts der geschmacklichen
Eigenschaften dieses Getränks wohl der einzige beabsichtigte Effekt dieser seltsamen Mélange.
Nach Auffassung Lichtenbergs jedoch war die im Saal gespielte Musik die weitaus größere Geschmacklosigkeit. Auf einer kleinen Bühne hatten zwei ältere Herren Platz genommen und gaben allerlei geräuschhaftes zum besten. Ein Plakat gab Auskunft wer hier in die Saiten griff und die Tasten drückte: „Rocco & the Heartbreakers“. Das „s“ war übermalt, woraus Lichtenberg schloss, dass jene, die hier zur Belustigung der Gesellschaft angetreten waren, einst zahlreicher waren, als das nun verbliebene Duo.
Zwischen den einzelnen Darbietungen entstanden oft längere Pausen und unser Freund beobachtete wie manche Gäste dem an der Gitarre befindlichen Herrn, dies war wohl jener Rocco, einen Geldschein übergaben, um ihren Musikwunsch zu unterstreichen.
Als das Duo mit „Apache“ von den Shadows ganz tief in die Mottenkiste griff schlenderte Lichtenberg an der Bühne vorbei, und griff sich einen dort ausgelegten Flyer, der offenbarte, dass dieses Ensemble tatsächlich ursprünglich über einen Schlagzeuger verfügte, sein Verbleib war nicht auszumachen. Lichtenberg mutmaßte, dass er wohl gegen ein kleines Kästchen mit blinkenden Lichtchen eingetauscht wurde. Während sich eine alte Dame mit einem Zehneuroschein einen geschmacklosen Walzer erkaufte, staunte Lichtenberg über das reichhaltige Repertoire über welches er in der Werbeschrift nachlas. Er erfuhr, es handele sich um eine „ganz andere Band“, die jede Hochzeit oder Firmenfeier zu einem sichern Erfolg macht. Das Konzept heißt: Von allem etwas! Für jeden Geschmack das richtige. So bieten die beiden Musikanten einen Querschnitt von Elvis bis Johann Strauß, von Heino bis Pink Foyd und von Gunter bis Peter Gabriel. Alles freilich mit Herzblut und auf höchstem musikalischem Niveau sowie einer persönlichen Note dargeboten.
Inständig hoffte Lichtenberg, dass auch sein Wunsch erfüllt werden konnte.
Er gab fünfzig Euro, für eine Pause von 30 Minuten.
Hintergrundgeräusche von
"Die Hörspielbox"
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